Zwischen Etlas und Arbesbach steht bei der sogenannten Bildstockhöhe ein großer Gedenkstein in der Form eines natürlichen Findlings.
Im oberen Bereich des Felsens ist eine kleine Nische mit einem Blechdach und einem Eisenfenster angebracht. Drinnen befindet sich ein Bild Marias mit dem kleinen Jesus. Darunter ist eine Steinplatte angebracht, auf der man Folgendes lesen kann: „Zum Andenken an Herrn Franz Hinterlechner Bauer in Etlasamt Nr 16, welcher den 15.März 1916 im 38.Lebensjahre in Chabarowsk, in russischer Gefangenschaft für Gott, Kaiser u. Vaterland gestorben ist. Bitte um ein Vaterunser.“
Chabarowsk (russisch Хабаровск) ist eine Stadt in Russland am Amur, nahe der Grenze zu China.
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Der Stein dreier Kriege
Frieda Mauritz – WALDVIERTLER G’SCHICHTEN (1982)
An der Straße von Arbesbach nach Altmelon steht, bevor man zum Hinterlehnerhof kommt, heroben auf der Anhöhe links, ein großer Gedenkstein. Er hat die Form einer aufgestellten Dreiviertelellipse von ungefähr drei Meter Höhe und zweieinviertel Meter Breite. Auf der hellen Gedenktafel, die auf ihm angebracht ist, steht der Name des ehemaligen Hofeigentümers, Franz Hinterlechner, und darunter ist zu lesen: „Bauer, Etlasamt Nr. 16, welcher am 15. März 1916 im 38. Lebensjahre in Chabarowsk in russischer Gefangenschaft für Gott, Kaiser und Vaterland gestorben ist.“ Oberhalb dieser Gedenkschrift ist in einem Oval das Bild des damaligen Soldaten festgehalten. Dieses Opfer des Ersten Weltkrieges ist der Großvater des jetzigen Besitzers des Hofes.
Der Gedenkstein hat eine eigenartige Geschichte: Er wurde nach dem Ersten Weltkrieg zum Gedenken an Franz Hinterlechner von seinen Angehörigen auf der rechten Straßenseite, von Arbesbach kommend, aufgestellt. Erst nach der letzten Straßenverlegung 1976 wurde der Stein, den man sprengen wollte, weil er in die neue Trasse fiel, auf die andere Straßenseite versetzt. Ursprünglich befand sich aber dieser Stein rechts im Acker. Er soll dort viel kleiner und unansehnlicher gewesen sein.
Es ist nachgewiesen, dass nach der Schlacht bei Austerlitz tausende von Franzosen ihren Rückzug hier über Arbesbach nahmen und so der Ort mit seinen umliegenden Höfen schwer belastet wurde. Nicht nur Einquartierungen und Vergewaltigungen von Mädchen und Frauen wurden zur Qual, sondern die Erhaltung und Verpflegung dieser Unzahl von Soldaten wollte kein Ende nehmen. Da oft nicht gleich die gewünschten Lebensmittel und das Futter für die
Pferde da waren, machten sich die Franzosen selbst gleich auf die Suche nach Nahrung. Sie drangen in die Höfe und deren Stallungen ein, nahmen mit, was sie fanden und trieben oft den letzten Ochsen oder nach ihm die letzte Kuh oder das Schwein aus dem Hause. Meist schlugen sie das Vieh gleich unweit der Häuser nieder, nahmen nur das beste Fleisch mit, alles andere blieb liegen. So soll es auch hier beim Hinterlechner gewesen sein.
Gleich oberhalb des Hauses, bei diesem besagten Steine, schlachteten sie die Tiere. Das beste Fleisch wurde ausgelöst und auf den Stein gelegt. Alles andere ließen sie liegen. Waren die Franzosen mit der Beute weg, so kamen die Leute von den umliegenden Höfen, um sich das Zurückgelassene zu holen.
Im Laufe der Zeit soll dieser Stein immer größer geworden sein. Mag dazu auch das Ausschwemmen der Erde um ihn beigetragen haben. Die Leute behaupteten jedenfalls, dass er wachse. Das viele Blut, das über ihn rann, hätte das bewirkt. So wurde aus ihm ein wunderbarer Fels, noch dazu mit historischer Vergangenheit.
Es war daher kein Zufall, dass mehr als hundert Jahre später die Bauersleute vom Hinterlechnerhof an diesen Stein dachten, als sie für den verstorbenen Bauern nach dem Ersten Weltkrieg eine Gedächtnisstätte schaffen wollten.
Der Stein stand als solche fast dreißig Jahre. Der Zweite Weltkrieg tobte. Endlich stand 1945 das Kriegsende bevor. Arbesbach, durch seine Ost-West-Straße, war wieder zum Durchzugsgebiet geworden. Viele zivile Flüchtlinge und geschlagene eigene Heeresverbände kamen hier durch, bis im Mai die Russen die Heimat besetzten. Die Bewohner hier machten wieder Schweres mit. Die vielen hier durchziehenden Soldaten und lagernden Truppen mussten genauso, wie einst die Franzosen, verpflegt werden. Jedes Haus und jeder entlegene Hof wurde von ihnen durchstöbert.
Und da begab es sich eines Tages, dass ein Russe vor dem Gedenkstein beim Hinterlechnerhof stand, ihn die längste Zeit betrachtete, las und wieder las, dann sein Gewehr von der Schulter nahm, anlegte, um auf. das Bild des toten Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg zu schießen. Er drückte ab und traf neben das Foto. Durch die Härte des Granits aber prallte die Kugel ab, prallte zurück (es war ein „Göller“ wie man hier sagt) und traf den Russen, der mit einem Aufschrei zusammenfiel. Blutüberströmt wurde er ins Krankenhaus Zwettl gebracht, wo er bald darauf starb.
Heute sind noch auf dem Steine oberhalb des Soldatenbildes die Spuren des abgeprallten Geschosses zu sehen. Der Stein dreier Kriege, der Blutstein, ist im wahrsten Sinne zu einem Denkmal geworden.