Die Landschaft des Waldviertels ist reich an religiösen Flurdenkmälern. Im nördlichen Waldviertel fallen einem aber besonders die große Anzahl von mehr als 200 großen Steinkreuzen auf.
Man begegnet diesen hohen Steinkreuzen im nördlichen Waldviertel vom Nordwestrand des Horner Beckens bis hinauf über die Grenze zum Weinviertel bis über die europäische Wasserscheide im Bezirk Gmünd, vor allem aber in den Bezirken Horn und Waidhofen an der Thaya und vereinzelt auch im nördlichen Teil des Bezirks Zwettl.
Einige dieser Kreuze findet man auch jenseits der Grenze in Tschechien, besonders in den Gemeinden Slavonice (deutsch Zlabings), Písečné (deutsch Piesling), Rancířov (deutsch Ranzern) und Vratěnín (deutsch Fratting), aber auch in der Umgebung der Städte Dačice (deutsch Datschitz) und Jemnice (deutsch Jamnitz). Sie tragen zwischen Vratěnín und Slavonice durchwegs deutsche Inschriften, bei Dačice und Jemnice auch solche in tschechischer Sprache.
Die Mehrzahl der heute noch erhaltenen Hochkreuze aus Stein stammt aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Älteren, vor 1850 entstanden, befinden sich überwiegend in den nördlich gelegenen Gemeinden des Bezirkes Waidhofen an der Thaya und auch jenseits der Grenze. Dieser Umstand und auch die hohe Dichte in diesem Raum berechtigen zur Annahme, dass sich der Brauch, solche Kreuze zu errichten, aus dem ehemals südmährischen Raum um Slavonice und Dačice nach Süden, Südosten und Südwesten hin ins Waldviertel verbreitet hat.
Das älteste Kreuz, durch eine lesbare Jahreszahl in Niederösterreich bestimmbare aus dem Jahre 1781, entdeckt man in Fratres (Gemeinde Waldkirchen) kurz vor der Landesgrenze. Jenseits der Grenze, in Slavonice, steht bei der Heiligen-Geist-Kirche eines aus dem Jahre 1774.
Noch um die Wende zum 20. Jahrhundert haben Steinmetze aus Slavonice (Familie Heleport) und Jihlava (deutsch Iglau, Familie Hulka) Hochkreuze aus Granit nach Niederösterreich geliefert, wie auf den Sockeln einiger Objekte zu lesen ist. Es arbeiteten aber auch Steinmetze im Raum Kautzen mit bezeichnenderweise tschechischen Namen (Jakubek, Macho und Wanek) an der Erzeugung solcher Kreuze aus heimischen Graniten.
In der Nähe von Slavonice befindet sich noch immer an der Nordflanke einer von der ehemals deutschsprachigen Bevölkerung „Kupfersteinberg“ genannten Erhebung (der Name kommt nicht vom Kupfererz, sondern von einer großen Findlingsgruppe am Gipfel – Kupfer von Kopf) ein sehr großer Granitsteinbruch, dem wahrscheinlich das Material für die meisten Kreuze entnommen wurde. Hier zeigt sich wieder deutlich eine für alle einfachen Denkmäler grundlegende Erkenntnis: Es fand hauptsächlich, vor allem aus Kostengründen, das in den einzelnen Regionen vorkommende Material (Gestein) Verwendung, und es hatte somit auch wesentlichen Einfluss auf Form und Gestalt der Erzeugnisse. Es spielten auch die Kosten und Risken weiter Transporte eine wesentliche Rolle. Die Hochkreuze aus Stein sind somit ein spezifisches Produkt der Gegend diesseits und jenseits der Landesgrenze im nördlichen Waldviertel und damit ist auch ihre verhältnismäßig eng begrenzte Verbreitung erklärt.
Der Aufbau der Hochkreuze ist ziemlich einheitlich: Auf einer größeren Fundamentplatte befindet sich ein Sockel mit Inschrift und meistens sehr einfachen Verzierungen. Dieser Sockel kann die Form eines Pyramidenstumpfes oder eines Quaders haben, aber auch bauchig geschwungen sein. Der Sockel wiederholt sich oft über einer kleinen Abdeckplatte in verkleinerter Form, was als Symbol für den Weltenberg oder den Hügel von Golgotha gedeutet wird. Der verkleinerte Sockel ist manchmal mit einem Blattmuster als Symbol des Lebensbaumes geschmückt.
Die weitere Standardausführung der Hochkreuze, von der sich die älteren Objekte nur in wenigen Details unterscheiden, kann wie folgt beschrieben werden: Der Kreuzschaft mit rechteckigem Querschnitt, sich von unten nach oben leicht verjüngend, trägt im unteren Bereich eine Blechtafel oder Relief der betenden oder schmerzhaften Muttergottes, darüber oft ein Hostienkelch flankiert von zwei Kerzenleuchtern im Relief. Der Corpus Christi kann aus bemaltem Blech, als Halbrelief oder als Gusskörper gestaltet sein. Die noch vorhandene ältere Ausführung dürfte jene aus bemaltem Blech sein, eine Form, die auch gerne in letzter Zeit bei Restaurierungen wieder Verwendung findet. Über den Korpus ist die INRI-Tafel befestigt.
Die Balkenenden weisen mehrheitlich eine Dreipassform („Gewürznelkenform“) auf, können aber auch einfacher gestaltet sein, mit so genannten „Nasen“ oder ganz gerade verlaufend.
Den Korpus und die Attribute schützt ein bogenförmiges Blechdach, das noch mit Girlanden, Blumen oder Sternen ausgestattet sein kann.
Die Kreuze haben eine Höhe von vier bis fünf Meter. Sie sind oder waren fast immer von einer Hegung umgeben, bestehend aus vier steinernen Eckpfosten, verbunden durch Überlager aus Stein, Eisenstangen oder Eisenrohren. Die Hegung sollte symbolisch den „Heiligen Bereich“ abgrenzen, aber auch ganz profan das Kreuz vor Beschädigungen durch Anfahren von Fuhrwerken und Anstoßen von Geräten oder durch das Anbinden von Tieren schützen. Bei wenigen Kreuzen ist oder war diese Hegung, wie bei den großen Pestsäulen in den Städten, als schöne Balustrade ausgeführt.
Innerhalb der Hegung befand sich oft und ist auch heute noch manchmal vorzufinden ein Opferstock aus Stein mit einer Eiseneinfassung, die das Auseinanderbrechen oder Auseinanderschlagen verhindern sollte. Die Spenden dienten wohl zur Instandhaltung des Heiligtums, dürften jedoch in dieser armen Gegend nicht sehr reichhaltig gewesen sein.
In seltenen Fällen befanden sich auch steinerne Betschemel vor den Kreuzen.
Der Zustand, in dem sich die Waldviertler Hochkreuze präsentieren, ist sehr unterschiedlich. Im Laufe der Zeit sind sehr viele Attribute verloren gegangen, sodass wir kaum mehr ein Kreuz komplett im Originalzustand vorfinden, sondern viele Variationen bis zum nackten Steinkreuz, bei dem alles Zubehör fehlt, selbst der Corpus Christi als Wesentliches. Am häufigsten fehlen die Hegung und das Schutzdach. Reste der Konsolen oder Löcher im Stein zeugen dann vom ehemaligen Vorhandensein des Daches.
Die Hochkreuze aus Stein sind seit mehr als zwei Jahrhunderten untrennbar mit dem Landschaftsbild des oberen Waldviertels verbunden und gerade deshalb sollten sie beachtet, gepflegt und erhalten werden.
Warum wurden diese Kreuze aufgestellt? Vielleicht zur Begrüßung von Wallfahrergruppen? Warum nicht am Ortsanfang, sondern einige 100m außerhalb? Wäre interessant. Danke.
Die Hochkreuze haben keine spezielle Funktion, sondern können eine Vielzahl von Funktionen haben. Sie können aufgestellt worden sein als Votivkreuz, Unfallkreuz, Gedenkkreuz, Urlaubskreuz, Wegkreuz, Grenzkreuz oder als Rastkreuz. Und wie aus der Inschrift „Zur Ehre Gottes“ rückzuschließen ist, wurden sie oftmals einfach aus Frömmigkeit gestiftet.