Das hier zu rezensierende Buch ist überhaupt einem Glücksfall zu verdanken

Eine Buchbesprechung von Erich Broidl aus Elsarn („Das Waldviertel“ 1/2022)

Dorothea und Johann Berger/
Norbert Müllauer

KLEINDÄNKMÄLER
IM MITTLEREN WALDVIERTEL

(Zwettl: Edition Muno 2020)
252 Seiten, illustriert, € 25,00

Was die Klein- und Flurdenkmalforschung in NÖ betrifft, ist eine äußerst erfreuliche Tendenz zu beobachten. Immer mehr Publikationen dokumentieren zahlreiche Objekte und vor allem die Datenbank marterl.at wird von vielen Mitarbeitern befüllt, aber auch zur Recherche verwendet. Dabei geht es nicht nur vordergründig um kunsthistorische Beschreibungen, sondern es werden auch Forschungen über die Stifter und die Hintergründe zur Stiftung und Setzung der Kleindenkmäler angestellt.

 
 

Das hier zu rezensierende Buch ist überhaupt einem Glücksfall zu verdanken.


Beim Abriss eines Hauses in Zwettl konnten 112 Abbildungen von Kleindenkmälern aus dem mittleren Waldviertel zwischen Schrems und Bad Traunstein und zwischen Langschlag und Altpölla entdeckt werden. Die in verschiedenen Techniken und qualitativ unterschiedlich hergestellten kleinen Kunstwerke stammen vermutlich von den Zwettler Künstlern Hans Neumüller, Rudolf Pritz und Friedrich Wolf, sind alle im Format 15 x 12 cm, nicht signiert und können daher auch nicht eindeutig zugeordnet werden. Die meisten Werke haben rückseitig einen Standorthinweis in Kurrentschrift. Das ist aber schon alles.

Ein weiterer Glücksfall war es, dass das Ehepaar Dorothea und Johann Berger schon seit Jahren einen Wanderblog unter dem Titel „ZWalk – Wanderungen rund um Zwettl im Wanderviertel“ betreibt. Da sie bei ihren Wanderungen immer wieder Bildstöcke, Wegkreuze und Kleindenkmäler gefunden haben, beschlossen sie einen Keindenkmälerblog zu erstellen (ZCrux- Kleindenkmäler rund um Zwettl im Waldviertel), immer mehr und detailliertere Informationen zu den einzelnen Objekten konnten gefunden und im Blog vielen Interessierten zugänglich gemacht werden. Mit dem Fund der 112 Kunstwerke konnten sie nun gemeinsam mit Norbert Müllauer an die Arbeit gehen und die Bilder zuordnen, was oft nicht leicht war, weil sich die Objekte verändert haben, weil sie restauriert und „verschönert“ wurden.

Viele Kleindenkmäler sind überhaupt aus der Landschaft verschwunden, vor allem im sogenannten „Döllersheimer Ländchen“, das von den Nazis zum Truppenübungsplatz Allentsteig umfunktioniert wurde. Sogar der Pranger von Zwettl gilt als verschwunden, in diesem Buch dürfte sich somit die wohl einzige Darstellung dieses Rechtsdenkmals befinden.

Die Suche nach den Objekten im Gelände wird einerseits erleichtert durch die Angabe der Koordinaten, aber auch durch aktuelle und historische Kartenausschnitte.

Die kleinen Kunstwerke liegen vor als Gouachen, Tempera oder Farbstiftzeichnungen, charakteristisch sind relativ starke Farbtöne vor allem in Rot und Grün. Die Darstellungen gehen nicht allzu sehr ins Detail, sie sind sehr flächenhaft und erinnern durch ihren „erdigen“ Realismus irgendwie als Alfons Walde oder Albin Egger-Lienz. Der wohl eindrucksvollste Bildstock ist das „Gedrehte Kreuz“ (Seite 108/109) in der Nähe des Stiftes Zwettl, das Abt Wolfgang II. Örtel im Jahr 1500 errichten ließ. Die Darstellung in Tempera-Malerei gibt eine Abendrotstimmung wieder, das bestimmende Rot am Horizont geht über in ein Orange, das langsam zu einem Himmelblau mit wolkigen Bändern wird. Bestimmt wird das Bild aber ganz maßgeblich durch die starke Darstellung des tordierten Schaftes mit dem darauf befindlichen gotischen Tabernakel.

So könnte man ein Bild nach dem anderen beschreiben, Vergleiche mit dem heutigen Aussehen herstellen, Querverbindungen zu andern Objekten knüpfen und somit die Kleindenkmäler wieder ins Heute holen.

Das Buch richtet sich an die Waldviertler und jene, die diesen Landstrich so gerne mögen, es richtet sich aber auch an alle Bildstockfreunde, die hier ein Werk vorfinden, wo ihnen eine äußerst vielfältige Bildstocklandschaft vor Augen geführt wird. Die Verbindung von Alt und Neu eröffnet völlig neue Perspektiven für den, der die Landschaft wirklich mit offenen Augen betrachtet, der die Kultur und Architektur in sich aufnehmen und verarbeiten kann. Das Buch bietet dazu reichlich Anreize und darf somit in mehrfacher Hinsicht als „Glücksfall“ bezeichnet werden.

Erich Broidl